Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wer den Begriff vom Elefanten im Porzellanladen geprägt hat. „Katze im Porzellanladen“ hätte völlig ausgereicht. Obwohl man Katzen ja eine geschickte Leichtfüßigkeit nachsagt und es sogar Gerüchte gibt, die behaupten, Katzen könnten sich über eine gedeckte Festtagstafel schlängeln, ohne auch nur ein Glas zu berühren. Ich weiß nicht, ob das wirklich mal jemand ausprobiert hat, aber mit Neo als Testkater wäre des Experiment ein Reinfall geworden. Wenn der tollpatschige Fellberg allen Verboten zum Trotz mal wieder über einen Tisch rennt, dann fallen rechts und links reihenweise Gläser, Schalen und Vasen um und herunter. Schlimmer noch: in jungen Jahren bestand ein probates Mittel gegen Langeweile für Neo darin, sich auf den Küchentisch zu setzen und ganz vorsichtig Gläser – ein Glas nach dem anderen – über die Tischkante zu schieben, um ihnen dann beim freien Fall und anschließenden Zerplatzen zuzusehen. Bis ich vor Ort war, um den Kater aus dem Gefahrengebiet zu bugsieren und die Scherben wegzuräumen, lag die Geschirrverlustrate meist bei zwei bis drei Gläsern.
Natürlich meinen Katzen es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht böse. Was kann Neo auch dafür, wenn der Becher auf dem Schreibtisch, aus dem er unbedingt Kräutertee trinken möchte, nur noch zu einem Viertel gefüllt ist und er seine Nase nicht tief genug in das Gefäß bekommt? Da hilft dann eben kätzische Lösungskompetenz: er schaut die Tasse noch einmal nachdenklich an, legt die Pfote auf den Becherrand und kippt den Inhalt einfach auf den Tisch, um ihn anschließend aufzulecken. Und da er ein ordentlicher Kater ist, gräbt er eventuelle Restpfützen auch pflichtschuldigst unter ein paar Papieren und Unterlagen ein.
Überhaupt könnte ich mehr Rücksicht auf meine Vierbeiner und deren Anatomie nehmen. Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie seien eine Katze und wollten dringend etwas ansehen, was auf dem Esstisch liegt. Da Sie aber nicht einfach auf den Tisch springen dürfen, müssen Sie sich recken und strecken, um mit der Pfote nach dem Gegenstand Ihres Verlangens zu tasten. Dummerweise liegt dabei Ihr Kopf nicht menschlich-praktisch über dem Geschehen, sondern unterhalb der Sichtlinie. Sie müssen also tasten und tasten – und sich gleichzeitig mit den Krallen festhalten, damit Sie nicht umkippen. Dass Sie dabei mehrere unerhebliche Gegenstände vom Tisch ziehen – oder gar das ganze Tischtuch – ist schlichtweg eine ungewollte Nebenwirkung der Kombination aus Verbot und unpassender Körper- beziehungswiese Möbelbauweise.
Und wenn ich als geiziger Mensch die Luxus-Katzenleckerlis nicht alle am Stück verfüttere, sondern hoch oben auf dem Regal deponiere und den Weg dahin nicht katzengerecht anlege, bin ich letztendlich selber schuld, wenn auf dem Weg zur Zwischenmahlzeit zwei Kochbücher aus dem Weg geräumt werden müssen und eine Blumenvase ihr Ende findet. Inklusive Delle im Boden.
Derartige Kollateralschäden haben übrigens einen nicht zu unterschätzenden pädagogischen Wert für uns Menschen: die geradezu wissenschaftliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien und Klebstoffen wird nämlich schnell zur zweiten Natur. Fragen Sie mal einen Katzenbesitzer um Rat, wenn Ihnen ein Henkel von einer Kanne abgebrochen ist oder Sie ein Loch im Laminatfußboden zu beklagen haben: er wird Ihnen bestimmt weiterhelfen können! Oder leiden Sie unter unkontrollierten Wutanfällen? Niemand wird Ihnen das Wesen von Vergebung und innerer Ruhe besser erklären können als ein Katzenbesitzer.
Eine weitere Nebenwirkung, die aus dem Zusammenleben mit Stubentigern und Porzellan resultiert, ist der stete Drang, alle potentiell zerbrechlichen Gegenstände weg von den Tischkanten hin zur Tischmitte zu schieben. Das geschieht ganz automatisch und meist, ohne dass der Katzenbesitzer darüber nachdenkt. Während dies in den eigenen vier Wänden kein Problem darstellt, wirkt ein solches Verhalten bei Fremden schnell etwas verschroben bis unangemessen. Meine Freunde hingegen seufzen nur, wenn ich mal wieder ihre Teetasse umher schiebe und raunen mir nachsichtig zu: „Iss keine Katze da.“
Ich muss an dieser Stelle allerdings einlenken und zugeben: nicht alle Katzen strapazieren Nerven und Geschirrvorräte. Die Mi ist viel zu höflich, um irgendetwas irgendwo herunter zu werfen. Außer, man kann damit anschließend spielen und es unter den Schrank schießen. Am besten geht das mit Stiften, Radiergummis oder anderen Schreibtischkleinteilen. Damit kann ich allerdings umgehen: wenn die Madame mal wieder einen Anfall von Tastaturmagnetismus hat und ich vor lauter Fell im Gesicht nicht mehr arbeiten kann, nehme ich einfach den nächstbesten Stift oder zerknüllten Zettel und werfe ihn hinter mich. Problem gelöst.
Nebenan hat es gerade übrigens verdächtig geklirrt – ich gehe lieber mal nachsehen.