Katzen sind nicht von dieser Welt. Ein Beweis dafür ist ihre angeborene Fähigkeit, Raum und Zeit außer Kraft zu setzen. Kurz: Naturgesetze gelten nicht für Katzen.
Das beginnt bei der beliebigen Umwandlung ihres Volumens.
Während der gemeine europäische Stubentiger auf dem Bett etwa 140 cm mal 200 cm bei einer durchschnittlichen Höhe von 3 cm misst, passt die gleiche Katze bei Bedarf in eine 10 mal 20 mal 30 cm Cornflakes-Schachtel. Angesichts eines drohenden Tierarztbesuches verwandelt sie sich hingegen in ein überdimensionales X mit Widerhaken (übrigens auch ein biologisches Phänomen) und überschreitet somit um ein Vielfaches die Höchstmaße für eine sechsmal so große Katzentransportbox. An anderen Tagen reichen 8 cm Bodenhöhe unter einem Kleiderschrank für 2 komplette Katzen und eine Verfolgungsjagd.
Daraus lässt sich unter anderem schließen, dass sich laufend die Dichte der Katze verändert. Eine Katze, die eben noch zwei Menschen aus einem 2×2 Meter großen Bett verdrängt hat, passt im nächsten Moment gemeinsam mit zwei anderen Katzen in einen Karton, der die Standardmaße einer einzelnen Katze deutlich unterschreitet.
Entsprechend kurios verhält es sich mit dem Gewicht.
Im eleganten Flug scheint selbst die dickste Katze kaum 400 g zu wiegen, nachts über den menschlichen Körper stapfend hingegen 70 kg und mehr – bis zu 100 kg in der Lungen- oder Blasengegend. Das Maximalgewicht einer Katze wird jedoch erreicht, sobald sie sich als Wegfahrsperre betätigt. Einmal auf dem menschlichen Fuß oder Schoß geparkt, mutiert die einst so anschmiegsame Samtpfote zu einem unnachgiebigen Klumpen Blei. Einkaufen oder bloßes Weggehen werden damit unmöglich.
Mathematisch interessant wird es, wenn der Stubentiger sich, strategisch günstig platziert, als dekorative Barriere im Wohnraum betätigt: proportional zum Störfaktor steigt das Gewicht und somit der Aufwand, um das fellige Hindernis zu entfernen. Hier werden Spitzenwerte vor allem in der Küchentür und um die menschliche Essenzeit herum erreicht – nämlich dann, wenn der Transport voller Teller und Schüsseln mit einem Hürdenlauf über die Katzen kombiniert werden muss.
Das hat mit dem Prinzip der wechselhaften Gravitation zu tun. Eine starke Anziehung herrscht beispielsweise zwischen Katzen und gerade-noch-warmen Schreibtischstühlen, die man nur mal eben für einen Gang zum Kopierer verlassen hat. Kommt man zurück, hat der Stuhl die Katze inzwischen angezogen und hält das völlig unbeteiligte Fellbündel mit einer Kraft von mindestens 1000 Newton in Position. Mit jedem Versuch, das Arbeitshindernis zu beseitigen, steigt die Anziehungskraft zwischen Stuhl und Tiger um weitere 1000 Newton.
Zum Glück ist die punktuelle Schwerkraft unmittelbar an das Belohnungszentrum der Katze gekoppelt. Um eine träge Katze zu bewegen, braucht es also – sofern man keinen zweiten Stuhl zur Verfügung hat – einen akustischen Impuls, der die Anziehung von einem Objekt auf ein anderes überträgt. Dieser wird am besten durch das Knistern mit der Folie einer Leckerlipackung oder durch das betonte Öffnen einer Futterdose erzeugt. Die Beschleunigung verläuft hierbei parallel zu den kulinarischen Vorlieben der Katze.
Weitgehend unerforscht ist hingegen das Prinzip der akuten Anziehungskraft zwischen Teppichen und Katzen, die sich übergeben müssen. Forscher stehen diesbezüglich vor einem Rätsel.
Bleibt noch die Auswirkung von Katzen auf den Faktor „Zeit“. Während an manchen Tagen ein drei Sekunden zu spät gereichtes Frühstück zum akuten Hungertod der Katze führen kann, bedeuten drei Stunden gar nichts, sobald sich die Katze wohlig auf Frauchens Schoß niedergelassen hat. Liegt die Katze dabei auf dem Rücken, stoppt die Zeit sogar ganz.
Spätestens damit sollte bewiesen sein: Katzen setzen das Raum-Zeit-Kontinuum außer Kraft.
Derart gerüstet und frei von den Bürden der Physik, ist es eigentlich unverständlich, warum unsere Katzen nicht längst die Weltherrschaft übernommen haben.
Andererseits: vielleicht haben sie das längst?