Designmagazine und das Verstreichen der Zeit (Version 1 und 2)

Lange Version:

Lieber einrichtungsbegeisterter Leser,

wissen Sie noch, wie das vor Pinterest war mit dem Sammeln von Bildern? Liebevoll legte man sich Magazin um Magazin zu, verzierte besondere Seiten mit Klebchen, Knicken oder bunten Markierungen, schnitt einzelne Stellen oder Seiten aus und erfreute sich an dem wachsenden Stapel vornehmer Einrichtungszeitschriften, deren Rücken mit ihrer Einheitlichkeit jedes ansonsten noch so bunte Regal ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Auch in gewichtlicher Hinsicht. Natürlich wanderten die kostbaren Zeitschriften bei jedem Umzug zum Verdruss der Umzugshelfer nicht in den Müll – oh nein! – sondern mit ins neue Domizil.

Es gibt ihn jedoch – diesen einen Moment, in dem die Vernunft über die Sammelwut siegt. Sei es, weil man nach dem fünften Umzug mit 1000 Zeitschriften keine Umzugshelfer mehr findet oder weil man die Möbel umstellen möchte und den Platz braucht. Vielleicht auch, weil man sich nicht mehr damit begnügen möchte, perfekte Einrichtungen nur in jenen Zeitschriften zu bewundern.

So setzt man sich also Abend für Abend mit ein paar Zeitschriften, einer Tasse Tee und ein oder zwei Katzen, die raschelndes Papier toll finden, neben die Altpapiertonne und sortiert aus. Wobei Aussortieren in diesem Falle heißt: man geht die Magazine Seite für Seite durch. Weil man unbedingt ein paar einzelne Bilder und Artikel aufheben möchte, bevor die Reste ins Papierrecycling wandern. Denn die schönen Wohnungen, Accessoires und Fotografien, in die man sich beim Kauf der Zeitschrift einst verliebte, begegnen einem beim Durchblättern wieder wie Liebhaber aus vergangenen Zeiten, deren Züge und Einzelheiten man sich unauslöschlich eingeprägt hat.

Die Printprodukt-Perlen wandern also auf wachsende Stapel, fein säuberlich nach Kategorien sortiert wie: „schöne Möbel“, „schöne Hotels“ und „Dinge, die ich unbedingt irgendwann kaufen will und wahrscheinlich nie kaufen werde“.

Dabei stellt sich – zumindest bei mir – irgendwann eine geradezu meditative Ruhe ein und ich gewinne einen ganz neuen Blick auf mich, auf das Design der letzten Jahre und das Verstreichen von Zeit im Allgemeinen.

Dinge, die 2009 noch neu und revolutionär waren, haben mittlerweile Einzug gehalten in das tägliche Wohnbild und entlocken mir nur noch ein müdes Lächeln. Entwürfe von 2006, die ich mir rot angestrichen hatte, kommen inzwischen so uninteressant daher wie das tägliche Frühstücksbrötchen. Dafür reiße ich plötzlich das Bild eines beruhigenden japanischen Gartens aus dem Magazin, das ich bei Erscheinen 2008 sicher überblättert habe. Präferenzen verschieben sich, und der schnelle Überblick über die Jahre verdeutlicht den enormen Fortschritt, den die Trends machen – ganz entgegen dem Gefühl, dass ja doch alles immer irgendwie gleich bleibt. Eigentlich gehöre ich zu den ersten, die auf einer Einrichtungsmesse ein langes Gesicht ziehen und unken: „Alles schon mal dagewesen!“ Jetzt habe ich mich selbst ertappt: Stimmt gar nicht!

Die Zeit schreitet unaufhaltsam voran, und letztendlich ist es nicht nur das Design, was sich weiterentwickelt und sich immer wieder selbst neu erfindet – wir selbst sind es! Wir müssen nur zwischendurch innehalten, um dieser Erkenntnis den nötigen Raum zu geben und etwas Wunderbares zu spüren: wir wachsen! Aus manch altem Schuh wachsen wir heraus und im gleichen Atemzug in einen neuen Anzug hinein. Wir müssen die Dinge nur zu- und manchmal auch loslassen. Wie zum Beispiel einen alten Berg Zeitschriften.

Designmagazine und das Verstreichen der Zeit, kurze Version:

„Neo, runter da! …Nein, Mi, das Papier brauche ich noch. Nein! Runter! Lass das los! …. Hier,fang die Papierkugel. …. Musst Du jetzt unbedingt hier mitten auf der Zeitschrift schlafen?!?…. na gut, ich koche mir erstmal einen Tee. Macht doch, was ihr wollt.“

zeitschriften-streifen

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