Geliebte Chaoten

Ich habe eine Stehlampe. Ich hatte eine Stehlampe. Ich habe mal eine Stehlampe gehabt.

Und: ich habe Katzen. Daher ist es im Hinblick auf Wohnaccessoires manchmal nur ein kurzer Schritt vom Präsens zum Perfekt.

Wie Neo es geschafft hat, den Sessel umzuwerfen, der dann auf die Stehlampe fiel, in der daraufhin die komplette Lampenfassung abbrach, kann ich nicht sagen. Fest steht: er saß anschließend neben dem Desaster und schaute etwas verstört, aber geübt unschuldig drein.

Hätte er einen Zeigefinger, würde er in solchen Situationen wohl auf die Mi zeigen – aber sehr glaubwürdig wäre das nicht. Die Mi ist nämlich die höflichste Katze der Welt und stets bemüht, alles richtig zu machen.

Neo hingegen ist eher die Katze im Porzellanladen. Die sprichwörtliche Eleganz der Samtpfoten ist an diesem Kater zum größten Teil vorbeigegangen. Wenn er auf einen Tisch springt, schlängelt er sich nicht um die darauf angeordneten Kerzenständer herum, nein! Vielmehr bahnt er sich konsequent einen Weg zwischen allen Hindernissen hindurch – ungeachtet der Tatsache, dass sie rechts und links vom Tisch fallen. Ein katzengerechter Tisch sieht bei uns also folgendermaßen aus: leer.

Als Neo ganz jung war, hatte er die Angewohnheit, bequem auf dem Küchentresen Platz zu nehmen und dann genüsslich alle Gläser in Reichweite – eins nach dem anderen – über die Kante zu schieben, um ihnen interessiert beim Zerschellen zuzusehen. Heutzutage könnte man immerhin für einen gewissen finanziellen Ausgleich sorgen, indem man das zugehörige Video zur Belustigung der Massen auf YouTube hochlädt, aber damals (Neo ist inzwischen ein Senior) blieb der Spaß allein uns vorbehalten.

Katzen haben sowieso eine sehr pragmatische Sicht auf Dekorationsartikel. Entweder sind sie im Weg, zum Spielen geeignet oder man kann sie verspeisen. Vasen? Sind wahlweise Hindernisse oder Trinkgefäße. Der Kopf des Räuchermännchens? Ist rund. Rollt. Kann man als Ball benutzen. Blumen? Kann man essen. Kissen? Multifunktional! Kann man drauf schlafen, Löcher reinbeißen, Fäden herausziehen oder Löcher hineinstanzen.

Schöne Teppiche üben außerdem eine magnetische Anziehungskraft auf Katzen aus, die sich akut übergeben müssen.

In diesem Sinne war es auch eine fragwürdige Idee, meine wichtigen Notizen statt mit herkömmlichen Magneten mit kleinen magnetischen Figuren an meine Memotafel über dem Schreibtisch zu heften. Diese ließen sich hervorragend mit der Pfote greifen und mitsamt allen Zetteln herunterwerfen, um sie anschließend unter den Schrank zu schießen. Überflüssig zu erwähnen, dass die meisten Figuren bei dieser Tortur zerbrachen. Erst der Umstieg auf kleine (langweilige) Magnete sowie zahlreiche hitzige Diskussionen mit dem Delinquenten („Nein, Neo, nein! Ich habe nein gesagt! Neo, nein!“) brachten Besserung. Und irgendwann vergaß Neo die Pinnwand einfach – zugunsten anderer Betätigungsfelder.

Natürlich ist bei alledem nie die Katze schuld! Könnten unsere Samtpfoten sprechen, wüssten sie sicher interessante Geschichten von Geistern zu erzählen, die heimlich Blumenvasen austrinken oder von Porzellanfiguren, die ganz von allein umfallen. Immer wieder!

Zumeist ist es auch keine böse Absicht, wenn die kleinen Tiger großes Chaos anrichten. Eine interessante Umgebung will eben ausgiebig genutzt werden.

Was soll es schon, wenn mein auf den ersten Blick recht elegantes Sofa bei näherer Betrachtung aussieht wie ein Nadelkissen! Ganz zu schweigen von der steten Behaarung.

Kriminell wird es allerdings, wenn die lieben Kleinen erkennen, dass sie mit angedrohter oder fachmännisch ausgeführter Sachbeschädigung ihren Kopf durchsetzen oder sehr effektiv ihren Besitzer strafen können.

„Du willst mir nicht die Tür öffnen? Dann zerkratze ich eben den Teppich davor, bis Du nachgibst!“

„Du kümmerst Dich schon seit drei Stunden um einen Besucher, den ich nicht ausstehen kann? Eine gut platzierte Pfütze auf dem Bett wird Dich lehren, unangenehme Leute zu uns einzuladen!“

Die Erziehung, die uns an dieser Stelle durch unsere Katze zuteilwird, hat natürlich auch positive Aspekte. So üben wir uns angesichts zahlreicher frustrierender Situationen in Ruhe und Gelassenheit, während wir nebenher unsere übertriebene Bindung an materielle Dinge abbauen.

Denn letztendlich ist die Welt doch in Ordnung, solange nur die Stehlampe geht und die Katze bleibt. Denn keine noch so schöne Lampe kann eine dekorativ daliegende Katze ersetzen.

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